Ausschnitt aus der Einführungsrede
von Katja Sebald
zur Eröfnung der Ausstellung
“Kunstwerk des Monats”
 im Katrin-von-Bora-Haus in Berg

Andreas Rumland mit „Landschaft III“ im Katharina-von-Bora-Haus, Juli 2011

Дie Welt ist schön“ hieß ein Bildband mit hundert Fotografien von Albert Renger-Patzsch, der 1928 veröffentlicht wurde und damals enormes Aufsehen erregte. Thomas Mann schrieb über den Fotografen, er habe „das Einzelne, Objektive, aus dem Gewoge der Erscheinungswelt erschaut, isoliert, erhoben, verschärft, bedeutsam gemacht, beseelt.“ Viele andere prominente Zeitgenossen ließen sich ebenfalls zu hymnischen Kommentaren hinreißen, sie feierten den „Mythos der Sachlichkeit“ und den „Realismus“, also die Unbestechlichkeit der Fotografie. Sie meinten, die Schönheit der Dinge, die in den Bildern von Renger-Patzsch sichtbar werde, sei der Beweis für die Zugehörigkeit dieser Dinge zur Schöpfung - unter Einschluss der Technik als Schöpfung des Menschen.

Der Irrtum, dass Fotografien objektive Abbildungen der Realität sind, ist so alt wie die Fotografie selbst. Aber schon diese frühen, ungemein ästhetisierenden Bilder von Natur und Technik waren inszenierte und idealisierte Darstellungen. „Dem starren Liniengefüge der Technik , dem luftigen Gitterwerke der Krane und Brücken, der Dynamik 1000pferdiger Maschinen im Bilde gerecht zu werden, ist wohl nur der Fotografie möglich“, schreibt Renger-Patzsch - wir befinden uns im Jahr 1928 und der Zeitgeist beschwört die „Neue Sachlichkeit“.

Wir, in einem neuen Jahrtausend und in einer neuen Epoche, wissen es natürlich längst  besser – und glauben doch immer noch, dass die Fotografie objektive Darstellungen der tatsächlichen Welt liefert. Im Grenzland zwischen überzeichneter, schonungsloser Darstellung und scheinbarer, künstlich erzeugter „Hyperrealität“ bewegen sich zahlreiche zeitgenössische Künstler.

Ähnlich euphorisch wie einst Renger-Patzsch wird heute Andreas Gursky von der Kunstkritik als zentrale Figur der visuellen Kultur unserer Zeit beschrieben, so Hans Dickel in seinem 2008 erschienenen Aufsatz „Der erste und der zweite Blick - Albert Renger-Patzsch und Andreas Gursky in der Sicht der Zeitgenossen und der Kunstgeschichte.“

Das „magische“ Verhältnis zur Technik der Fotografie scheint auch in der Betrachtung von Gurskys Bildern noch nachzuwirken, obwohl es sich dabei in der Regel nicht um Fotografien, sondern um Computergrafiken handelt. Gursky generiert mit Hilfe der Technik das Optisch-Unmögliche, man sieht auf seinen Bildern mehr als das Auge zu sehen vermag. Er multipliziert die sichtbare Realität zur optimalen Anschaulichkeit, er schafft Bilder, mit denen er das übertrumpft, was uns die Massenmedien tagtäglich auf die Bildschirme spülen. Und trotzdem wird auch Gursky für seine „Wiedergabe der Realität“ gefeiert.

Die Welt ist schön – das könnte auch über den Bildern von Andreas Rumland stehen. Seine Bildwelten aber sind schöner als die Wirklichkeit: Auch sie sehen zwar aus wie Fotografien, die die Realität abbilden, bestehen aber tatsächlich aus bis zu dreißig Einzelaufnahmen, die der Künstler montiert, arrangiert und auf höchst diffizile Weise bearbeitet. Sein besonderes Augenmerk liegt dabei auf einem – für den flüchtigen Betrachter kaum wahrnehmbaren – fein abgestuften Spiel mit Farbe, Unfarbe und Nichtfarbe.

Nicht nur mit Realität und virtueller Realität verwirrt Andreas Rumland den Betrachter, er erzeugt durch hochauflösende Pigmentdrucke auf extrem saugfähigem Untergrund – feine Leinwand oder Büttenpapier in Großformaten – ein fast haptische Qualität seiner Bilder. Aus der Nähe betrachtet wirken sie wie beinahe wie Gemälde.

Neben bestimmten architektonischen Gegebenheiten, die ihm als Ausgangspunkt für rhythmische Anordnungen aus Form, Fläche und Struktur dienen, reizen Andreas Rumland vor allem auch Dinge, die eigentlich per se nicht schön sein können, zum Erschaffen schöner neuer Welten: Container und Hafenanlagen, Baustellen, Geflechte aus Rohren und Leitungen. Auf dem Bildschirm „putzt“ er sie und poliert sie auf Hochglanz, stattet sie mit einem neuen Himmel und neuen Farben aus, sublimiert sie zu ästhetischen Kompositionen. So wohlproportioniert und geschönt diese menschenleeren Welten auch sein mögen – es wohnt ihnen doch eine leise Melancholie und eine wundersame Poesie inne.

Andreas Rumland lebt und arbeitet im Pöckinger Ortsteil Maising. Er ist gebürtiger Hamburger, absolvierte an der TU München ein Architekturstudium und studierte anschließend an der Münchner Kunstakademie. Er beschäftigte er sich intensiv mit Druckgrafik und realisierte zahlreiche Projekte, unter anderem den Dokumentarfilm „Die Stiftungsmacher“, die Bewerbungsgestaltung der Stadt Görlitz als Kulturhauptstadt Europas, die Artdirektion im Deutschen Pavillon der Expo2000 in Hannover sowie die visuelle Kommunikation des Augsburger Stadttheaters.

Seit etwa fünf Jahren beschäftigt sich Andreas Rumland mit Fotografie. Dennoch versteht er sich nicht als Fotograf und seine Bilder nicht als Fotografien, auch mit dem Begriff der „Fotomontage“ kann er sich nicht wirklich anfreunden.

Auch mit Gursky ist es nicht einfach, über seine Fotografie heißt es in einem einzigen Satz, sie setze „dem eigenen Medium, seinen traditionellen Mitteln und den neuen technischen Möglichkeiten ein Denkmal.“ Ein Widerspruch in sich, denn die traditionellen und die neuen technischen Mittel der Fotografie schließen einander aus.

Mit diesen vielzitierten „neuen technischen Mitteln“ aber visualisiert Gursky Vorstellungen vom Abgebildeten: Er zeigt weniger etwas wirkliches Gegebenes als vielmehr dessen Idealbild. Und genau das tut auch Andreas Rumland - und er tut es insbesondere mit dem Bild „Landschaft III“, das als Idealbild einer Landschaft zu verstehen ist.

Katja Sebald

Zurück

Einführungsrede Katja Sebald 2011

Andreas Rumland   

Start
Bilder Urban
Struktur
Impressum

Bilder   

Industries
Natur
Körperform